Die seit Jahren schwelende Finanzkrise ist noch nicht wirklich bewältigt - sie wird nur durch das viele billige Geld der Notenbanken übertüncht. Der Zins als Marktregulierungsinstrument für das optimale Verteilen von Kapital in einer Volkswirtschaft bzw. in der EU ist weitgehend ausgeschaltet. Und trotzdem boomt international der Absatz von Bonds mit Zinsen nahe Null bei ersten Adressen. Andererseits wird seitens der Anleger der Kauf von Aktien weitgehend gemieden mit dem Hinweis auf im historischen Vergleich hohe Kurs-/Gewinn-Verhältnisse, nicht optimalen Wachstumsaussichten in vielen westlichen Volkswirtschaften, aber auch China; daneben verunsichern geopolitische Krisen, vor allem Ukraine und immer wieder Nahost.

Hinzu kommt, dass für viele institutionelle Investoren die Anlagevorschriften den Kauf von Festverzinslichen bevorzugen. Das führt zum Beispiel bei vielen deutschen Lebensversicherungen zu Aktienquoten von inzwischen nur noch drei bis vier Prozent. Sie sind damit, so könnte man formulieren, zu einer schlechten Performance verurteilt. Vor diesem Hintergrund sind die Schlagzeilen in den Finanzzeitungen zu sehen:  „Bundesanleihen weiter gefragt“, „Schuldenorgien ohne Ende“ und „Niedrige Aktienvolatilität treibt Anlegern Angstschweiß auf die Stirn“ aus der Börsen-Zeitung. Oder „Interesse an Aktien lässt nach“ und „Das Sparkonto macht uns arm“ aus der FAZ.

 

Das Bond-KGV ist viel stärker gestiegen

 

Allerdings sind nicht alle Anlagespezialisten der Meinung, dass allein die im historischen Vergleich hohen Kurs-/Gewinn-Verhältnisse Aktien generell als zu teuer abstempeln. Die Auflösung liegt in einem Zusammenhang, der sich aus einer BZ-Headline ergibt „Dividendenrenditen schlagen Bondrenditen“. Denken wir uns das doch mal ins Detail um. Sicher sind die KGV´s im historischen Vergleich hoch, nur ist die Frage, ob daraus wirklich ohne weitere Überlegung der Schluss gezogen werden kann, dass Aktien damit generell teuer und uninteressant sind. Sind nicht auch die Kurs-/Gewinn-Verhältnisse in ihrem jeweiligen Umfeld zu sehen und zu werten? Gemeint ist die Tatsache, dass zum Beispiel bei Festverzinslichen das Kurs-/Zins-Verhältnis noch weit dramatischer gestiegen ist als das KGV der Aktien! Bei Zinsen für Bundesanleihen von deutlich unter zwei Prozent mag man dieses „KZV“ schon gar nicht mehr ausrechnen, so hoch ist es. Muss da nicht auch ein Aktien-KGV mit anderen Augen gesehen werden“ Memento; Dividendenrenditen schlagen Bondrenditen“!

 

Sind also Aktien unter diesen Gesichtspunkten, und eventuell auch unter dem Aspekt der vielfach interessanten Dividendenrenditen, gar nicht zu teuer, eher vielleicht sogar relativ billig? In dieser Richtung gibt es durchaus ernst zu nehmende Stimmen. Sollte also nicht generell umgedacht werden bei derartigen Bewertungsvergleichen? Und dann wird klar, das die KZV´s der Bonds wesentlich stärker gestiegen sind als die Aktien-KGV´s.

 

Die Zinsschraube kann noch lange nicht angezogen werden

 

Nur, Vorsicht. Was währt wie lange? Wann werden die Zinsen wieder mehr oder weniger deutlich anziehen und damit wieder ihre wichtige Regulierungsfunktion für das Kapital übernehmen?Um diese Zeiträume einnmal anzudenken, bis wann also die „KZV´s“ und auch die „KGV´s“ zurückkommen müssen, einige brandaktuelle Zahlen.

 

Die europäische Statistikbehörde Eurostat informierte soeben, dass die Schuldenquote der Euroländer in Prozent des Bruttoinlandsproduktes BIP 2014 auf 94 Prozent gestiegen ist. Also noch nichts von einem Schuldenabbau zu sehen. Auch Deutschland liegt mit einer Schuldenquote von 77,3 Prozent nur im Mittelfeld. Und nach den Maastrichter Verträgen dürfen die Schuldenquoten maximal bei 60 Prozent liegen. Was heißt, dass bei einem Anziehen der Zinsschraube durch die Europäische Zentralbank halb Europa pleite gehen würde. Also wird die EZB kurzfristig und auch mittelfristig die Zinsschraube kaum anziehen können, selbst wenn in den USA die FED im nächsten Jahr die ersten Schritte in dieser Richtung unternehmen sollte.



Fazit: KGV gestern ist nicht gleich KGV heute, was die Wertung angeht. Und morgen kann ein KGV erst dann wieder wie früher interpretiert werden, wenn die Märkte wieder die Zinsbildungsfunktion von der EZB übernommen haben.

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